Meinung Ralf Schumachers Partner
Man darf schwul sein, aber nicht rechts?
| Lesedauer: 3 Minuten
Von Rainer Haubrich
Stv. Ressortleiter Meinung
Ralf Schumachers französischer Lebensgefährte hat vor Jahren eine politische Karriere in Marine Le Pens Partei gemacht. Das irritiert viele. Aber es ist ein Irrtum zu glauben, dass hom*osexuelle selbstverständlich politisch progressiv, also links und woke, zu sein haben.
Anzeige
Anzeige
Es war – neben dem Finale der Fußball-Europameisterschaft – das große Thema der vergangenen Wochen: Ralf Schumacher, ehemals Formel-1-Pilot und 14 Jahre lang mit dem ehemaligen Erotikmodell Cora Brinkmann verheiratet, hat sich via Instagram als hom*osexuell geoutet: Ein Foto zeigt ihn, wie er an der Seite eines Mannes in den Sonnenuntergang schaut, dazu schrieb er: „Das Schönste im Leben ist, wenn man den richtigen Partner an seiner Seite hat, mit dem man alles teilen kann.“
Anzeige
Die Reaktionen in der Öffentlichkeit waren ganz überwiegend positiv, allen voran freute sich Sohn David öffentlich, dass sein Vater mit Étienne sein Glück gefunden habe. Der Franzose sehe nicht nur gut aus, befand die „Bild“, sie wollte außerdem herausgefunden haben, dass er „auch einiges im Köpfchen“ habe. Vergeben und vergessen, dass Ralf Schumacher noch 2014, also Jahre nach seiner Trennung von Ehefrau Cora, Gerüchte über seine hom*osexualität mit einem seltsamen Vergleich zurückwies: „Ich bin genauso wenig schwul, wie die Donau eine Insel ist.“
Doch der mediale Honeymoon dauerte nur wenige Tage. Dann kam heraus, dass Ralf Schumachers Lebensgefährte, der mit vollem Namen Étienne Bousquet-Cassagne heißt, als 17-Jähriger in die französische Rechtsaußen-Partei Front National eintrat, die Marine Le Pen später in Rassemblement National umbenannte.
Lesen Sie auch
Schland oder zwangsbunt?
Die grüne Klärung der Nationalitätenfrage
Anzeige
Und weil er „einiges im Köpfchen“ hat, legte er im Departement Lot-et-Garonne eine Karriere hin, die bis 2022 dauerte. Mit 27 Jahren wurde er jüngster Kandidat des Front National bei den Parlamentswahlen, er war zudem Parteisekretär im Departement und wurde in den Stadtrat von Villeneuve-sur-Lot gewählt.
Die Reaktionen auf diese Neuigkeiten waren nicht so positiv. Weite Teile der queeren Community, die eben noch bereit schienen, mit dem deutsch-französischen Paar auf einem Einhorn ins Glück zu reiten, sind schwer enttäuscht: Der Mann an Ralf Schumachers Seite ist kein Klimaaktivist oder Achtsamkeits-Coach, sondern rechts. Sie unterliegen dem besonders in ihren Kreisen verbreiteten Irrtum, dass man als hom*osexueller, als Angehöriger einer in ihren Augen „unterdrückten“ Minderheit, selbstverständlich politisch progressiv, also links und woke, zu sein hat.
Und dass es per se eine gute Nachricht ist, wenn Menschen mit Migrationshintergrund oder Frauen an die Macht kommen. Nach dieser Logik müssten sich Gleichstellungs-Aktivistinnen als Nächstes eine Frau im Élysée-Palast wünschen. Tun sie aber nicht, denn die besten Chancen hat Marine Le Pen, und die ist rechts.
Le Pen hat junge hom*osexuelle gefördert
Anzeige
Étienne Bousquet-Cassagne war und ist offenbar der Meinung, dass sich mit Le Pen Dinge in Frankreich zum Besseren verändern würden. Vermutlich ist er für weniger Migration, für mehr Polizei und für weniger Brüssel. Wahrscheinlich sieht er im Islamismus eine Bedrohung für hom*osexuelle und in Marine Le Pen eine Politikerin, die diese Ansicht teilt. Als Parteichefin hat sie junge hom*osexuelle gefördert, zum Beispiel Florian Philippot, der fünf Jahre lang ihr Stellvertreter war.
hom*osexualität ist eine Veranlagung, die das Privatleben betrifft, sie definiert nicht automatisch, was man politisch für richtig hält. Es gibt keine schwule Wirtschaftspolitik, keine lesbische Energiepolitik, keine queere Verkehrswende. Politiker wie Jens Spahn (CDU), Kevin Kühnert (SPD), Volker Beck (Grüne), Klaus Lederer (Linke) oder Alice Weidel (AfD) verbindet ein bestimmter Aspekt ihrer Persönlichkeit, aber sie vertreten politisch ganz unterschiedliche Positionen. So sieht Vielfalt aus.